Von Sexarbeit, Zwangsprostitution & Polizei

Content Note: Sexarbeit, Zwangsprotitution, Missbrauch, sexualisierte Gewalt, Polizeigewalt, Machtmissbrauch, Menschenhandel, nordisches Modell, Kinderprostitution

Der Begriff „Sexarbeit“ wurde erfunden, um die Unterschiede von Zwangsprostitution  (all die Prostitution von Minderjährigen, im Menschenhandel oder in Missbrauchsumständen) und einer einvernehmliche, vergütete sexuelle Dienstleistung zwischen volljährigen Personen, hervorzuheben und soll keinesfalls dazu führen das Zwangsverhältnisse weniger gesehen werden. Dieser Begriff wird nur leider oft im falschen Kontext benutzt: Wer also von beispielsweise Kinderprostitution spricht und das Sexarbeit nennt, sollte direkt darauf hingewiesen werden, dass wenn Menschen schwere Verbrechen „Arbeit“  nennt, Missbrauch und Missbrauchserfahrungen verharmlost. Viele würden jetzt entgegnen das Sexarbeit immer Zwang ist und nichts mit Selbstbestimmtheit zu tun hat. Dem stimmen wir nur im Teil zu: Sexarbeit ist Lohnarbeit (keine normale natürlich wie es oft angeprangert wird) und kein Mensch steckt freiwillig in der Lohnarbeit fest, aber die eigene freiwillig Entscheidung sein Geld mit Sex zu verdienen anstatt z.B. als Kellnerin, gleich zu setzen mit der Entführung und dem Verkaufen von Menschen oder Leuten die der Zwangsprostitution nicht entfliehen können, würde aber genau diesen Menschenhandel wieder verharmlosen.In dem Sinne wollen wir keine Welt  in denen Mensch Flinta*-Personen oder deren Zeit kaufen kann, denn wir sind  für eine Welt ohne Lohnarbeit (also auch ohne Sexarbeit), doch bis dahin kämpfen wir dafür, dass die Sexarbeit sicherer wird und vor allem Menschen aus Missständen befreit werden. Denn Gesetze die Sexarbeiter*innen gefährden, gefährden meist auch Betroffene im Menschenhandel. Für die Rechte und Sicherheit von Sexarbeiter*innen zu kämpfen, schließt nicht den Kampf gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution aus. 
Weiter zur Polizei: Es gibt Studien, die besagen, dass die meiste Gewalt, die Sexarbeitende erfahren, von der Polizei ausgeht. Hierzu ist wichtig zu betonen, dass diese Studie mit freiwillen Teilnehmenden im Internet durchgeführt wurde und somit nur repräsentativ für die Sexarbeit ist. Das eine Studie alle Eindrücke und Zustände nicht ganz umfasst und vieles nicht erwähnt wird, ist der Kürze zu zuschreiben. So wollen wir hier diesen Aspekt näher beleuchtem, dass eine starke Polizeipräsenz das Risiko Gewalt von Freiern zu erfahren, deutlich erhöht, wie die Studie „Footer et al (2009)“ nachweist. Nehmen wir das Beispiel Schweden in denen das nordische Modell regiert. Oft heißt es dort wäre es undenkbar Sex zu kaufen, es ist nicht undenkbar sondern nur illegal. Dadurch, dass der Kaufen von Sexarbeit kriminalisiert wird, verschwindet das Geschäft der Prostitution nicht, nicht die Sexarbeit und auch nicht die Zwangsprostitution, das Geschäft wird einfach in die illegale Szene gedrängt. Das Screening des Freiers was eigentlich vor jedem Kauf stattfindet muss sehr verkürzt, wenn nicht sogar gar nicht stattfinden, da dauerhafte Gefährdung durch Polizeipräsenz besteht (da das ja gerade eine illegale Handlung ist) , was nachweislich das Risiko erhöht Gewalt von den Freiern selbst zu erfahren, wie die Studie „Landsberg et al (2017)“, festgestellt hat. Des weitern macht sich auch ein jeder mitschuldig einer illegalen Straftat wer von der Sexarbeiter*in profitiert, das kann im guten Fall ein Zuhälter sein, in den meisten Fällen berichten jedoch Sexarbeiter*innen davon, dass auch das Vermieten einer Wohnung für den*die Vermieter*in illegal ist und Sexarbeiter*innen gezwungen werden, auf der Straße zu arbeiten, was deutlich gefährlicher ist und auch immer bedeutet mehr Gewalt vom eigenen Klientel zu erfahren, wie die „Ellison et al (2019)“ Studie zeigte. Die „Footer et al (2019)“ Studie bewies dazu auch, dass der rechtliche Status von Prostituierten (egal ob einvernehmlich oder zwang), ein bedeutender Faktor ist wenn es um die sträfliche Verfolgung von Prostituierten zur Anzeige gebrachten Gewalttäter*innen geht. Die Studie hat hat dabei ergeben, dass in vielen Situationen die kriminalisierte oder quasi-kriminalisierte Natur von Sexarbeit bedeutet, dass Gewalt, die im Kontext von Sexarbeit passieren (d. h. als Schäden und Missbrauch am Arbeitsplatz zu sehen sind), von keinen formellen Stellen überwacht wird und Prostituierten im allgemeinen von der Polizei und den Justizsystemen nur wenig bis gar kein Rechtsschutz gewährt wird. Gewalttaten gegen Sexarbeiter*innen werden von der Polizei oft nicht als Straftaten registriert, denn sexueller Missbrauch bei einer Prostituierten ist oft kein Missbrauch, nach deren Meinung. Wenn wir jetzt nun zum Beispiel eine Situation aus der Prostitution, wo das nordische Modell herrscht nehmen: Der Großteil der Menschen in der Zwangsprostitution/Sexarbeit sind Migrant*innen, ein großer Teil von ihnen ohne Aufenthaltserlaubnis. Wird also ein Person aus diesem Spektrum beim Geschäft erwischt, wird der Freier verhaftet, die Person wird Abgeschoben, immer wieder tauchen Anzeigen auf wo gerade trans-feminine Sexarbeiter*innen öffentlich gegen ihre Abschiebungen mobilisieren. Doch die Cops machen nicht nur ihren scheiß Job, nein, die gleiche Studie zeigt das 78% der befragten Sexarbeiter*innen in ihrer Laufbahn sowohl sexuelle,gewalttätige und emotionale Übergriffe und Missbrauch durch Polizist*innen erlebt haben. Das ist eine ganze Menge, nicht zu vergessen mit all den anderen Risiken, die bei erhöhter Polizeipräsenz drohen. In den Studien wurde erklärt, dass wenn Betroffene über Missbrauch reden, werden auch immer Gewalterfahrungen ausgehend von der Polizei geschildert, dennoch gibt es nur in 4 Ländern Studien zum Thema Polizeigewalt in der Prostitution. Weiter zum Stigma: Warum wollen wir das Stigma lösen für alle Menschen die Prostitution betreiben? Immer wieder heißt es, dass eine Abschaffung des Stigmas dazu führen könnte das Missstände weniger gesehen werden, aber was bringt das jetzige Stigma den Sexarbeiter*innen und Zwangsprostituierten? In der Gesellschaft werden sie als Abschaum gesehen, Leute die zu blöd oder zu faul für die Schule waren, Junkies oder als eh schon missbrauchte Seelen denen es eh nicht schlimmer gehen kann und nicht mehr zu retten sind. Dieses Stigma erweckt in den Menschen kein Wille, respektvoll mit der Sexarbeiter*in umzugehen oder Menschen aus dem Zwang einen neuen Arbeitsplatz anzubieten, nein das Stigma was schon allein gesetzlich immer mitschwingt mit dem Begriff „Hurenpass“ entzieht den Menschen jeglicher Selbstbestimmtheit. Wir denken sogar, dass dieses Stigma von Prostituierten zu den Missständen beiträgt, denn aufgrund von diesem ist für die wenigsten Sexarbeit (nicht Zwangsprostitution) auch Arbeit. Dies macht es nicht direkt zur normalen Arbeit, es ist immer noch eine Arbeit die viel Sensibilität, Aufklärung und Sicherheit bedarf. Aber wenn Freier, Polizei generell Menschen den Sexarbeiter*innen mit dem gleichen Respekt entgegen würden mit denen sie auch einer Person, die gegen ihren Bürochef auf Grund von sexualisierten Missbruach vorgehen, würden weniger Menschen sich die Freiheiten rausnehmen Sexarbeiter*innen wie Objekte zu behandeln. 
Wir wollen keine Welt in der man Sex als Dienstleistungen kaufen kann, denn wir möchten das Kaufen von Dienstleistungen, also Lohnarbeit, abschaffen. Wir verherrlichen weder Sexarbeit noch Zwangsprostitution, nur sind wir anhand empirischer Erfahrungsberichte und fünf der repräsentativsten Studien, zu dem Entschluss gekommen, dass die Kriminalisierung, wie auch in der Drogenszene, in der Prostitution zu mehr Leid durch Polizei, sowohl als durch Freier, führt (zum Beispiel beim Thema Screening-Zeit, Ort des Geschäfts, Aufenthaltspapiere und Polizei, Drogenkonsum). Wir wissen, dass es noch ein langer Weg ist bis die Lohnarbeit und damit auch die  Sexarbeit abgeschafft wird, dort bis dahin setzen wir uns dafür ein, dass soziale Initiativen mit Dolmetscher*innen und neuen Arbeitsplätze sich um die Menschen kümmern, die in der Zwangsprostitution feststecken. Denn bloß den den Verkauf von Sex zu verbieten und zu kriminalisieren , nimmt den Menschen in der Zwangsprostitution die einzige Einnahmequelle und zaubert sie nicht aus der Armut. Gleichzeitig werden wir aber einstehen, dass freiwillige Sexarbeiter*innen nicht weiter entmenschlicht und an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden, sie verdienen ebenfalls Sicherheit und Respekt in ihrem eigens ausgewählten Beruf. Wir setzen uns auch für Beratungs- und Aussteigsmöglichekiten für Sexarbeitende ein, denn es ist normal, dass ein Mensch nicht sein Leben lang den gleichen Beruf ausüben möchte.
 Wir könnten nun noch immer weiter schreiben, aber das Thema viel zu Komplex, besonders für so eine einseitige Erzählung. So seid ihr immer herzlich eingeladen, auf unseren Veranstaltungen mit uns darüber zu reden.


Die dazugehörigen Studien:

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